Interview mit Ann- Cathrin Schmidt, Gründerin von „Satte Gespräche“

Das Thema Essen stellt viele Eltern vor eine Herausforderung. Im Interview mit Ann-Cathrin von Satte Gespräche werden Fragen zu Emotionalität und Essverhalten genau unter die Lupe genommen.

„Frrränkin, Land-Ei, Tennisspielerin, schlecht im Verlieren, Unterhaltungskünstlerin und Familienmensch.“ So beschreibt sich Ann-Cathrin selbst, wenn ich sie frage, was sie ausmacht.
Nach vielen Jahren Praxis- und Klinikarbeit als Logopädin hat sie sich 2021 zur Fachberaterin für Säuglings- und Kinderernährung ausgebildet und steckt aktuell in Mitten der Ausbildung zur Stillberaterin IBCLC.

In diesem Interview spricht Ann-Cathrin über das Essverhalten von (Klein) Kindern, Essstörungen und was Emotionalität mit all dem zu tun hat.

Foto: Logo satte Gespräche

„Satte Gespräche“ wird geboren

Ann-Cathrin, du bietest verschiedene Beratungen an. Was genau sind deine Themen und wieso hast du dich für diese entschieden?

„Satte Gespräche: Logopädie – Stillberatung – Kinderernährung vereint alles, was meine Leidenschaft entfacht und worin ich gut bin. Logopädin werden wollte ich seit ich 17 bin, liebe die Arbeit heute noch und mit Ernährung hab ich mich seit meinem 20. Lebensjahr beschäftigt. Stillen oder das Geben der Flasche ist für mich sowieso das Fundament für so vieles.
Aktuell betreue ich Logopädie Patient*innen unterschiedlichen Alters in meiner Praxis, berate Eltern online im Bereich ablehnendes Essverhalten und gebe den Online-Kurs „Erfahrungsvoll“ zur Stillvorbereitung.
Mein aktuelles Projekt ist ein eigener Podcast und knackige 2h-Kurse für alle, die mit Kindern sind. Die Themen entstehen aus den Beratungserfahrungen in den Bereichen Logopädie, Ernährung in der Schwangerschaft, Stillen, Beikost und Kinderernährung. Was ist wirklich ’nice to know‘ und was sind ‚alte Mythen‘, die weder den Eltern, noch dem Kind dienen. Gerade im Bereich Stillen gibt es so viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die unterhaltsam unter die werdenden Mamas (*Personen, die stillen) gebracht werden dürfen.
Für mich gibt’s keine schöneren Themen und ich sehe den unglaublichen Mehrwert, den die Eltern und Kinder aus den Beratungen und Therapien mitnehmen Tag für Tag.“

Gibt es eine prägnante Situation in deiner Vergangenheit, die dich den Schritt in die Selbständigkeit hat gehen lassen?

„Im Therapie-Alltag als Angestellte wurde mir immer wieder klar, was mir wichtig ist: ich möchte mehr Zeit für meine Patient*innen haben und keine Fließbandarbeit machen, so dass ich am Ende des Tages nicht mal mehr die Namen der Menschen weiß, die ich beraten oder therapiert habe. Vor allem möchte ich mich keinen festen Strukturen in großen Praxen oder Krankenhäusern unterordnen müssen, die irgendwann von irgendwem festgelegt wurden, dem Behandlungserfolg jedoch teilweise im Weg stehen. Was mich zudem den Schritt in die Selbstständigkeit hat gehen lassen ist das geniale Zusammenspiel von Stillberatung, Ernährungsberatung und Logopädie, welches ich jetzt vollends ausleben kann.“

Konzentrieren wir uns nun auf das Essverhalten von Kleinkindern

Kannst du dich an Situationen aus deiner Kindheit erinnern, die dein Essverhalten beeinflusst haben?

„Tatsächlich bestätige ich mit meiner Kindheit genau meine Überzeugung: WIE Kinder essen (lernen) ist wichtiger, als WAS Kinder essen. Ich habe nur gute Erinnerungen an Ess-Situationen zu Hause. Wir haben immer zusammen gegessen, mittags häufig bei meiner Oma. Ob 6 Pfannkuchen, herausgebraten in ’nem Kilo Butterschmalz mit Puderzucker gesund sind, darüber lässt sich streiten. Aber ich hab’s geliebt. Und hatte bis ins junge Erwachsenenalter eine völlig unbelastete Beziehung zum Essen, da ich nie stark reglementiert oder zu etwas gezwungen wurde. Ermutigt schon, klar, aber nicht gezwungen. Da ich mich jeden Tag viel bewegen konnte, hatte ich trotz der… sagen wir mal nicht ganz so optimalen Nährstoffzusammensetzung der Mahlzeiten… eine schlanke Figur. Spätestens beim Einzug in die erste eigene Wohnung und der Erkenntnis, dass ich nicht alles essen kann, ohne zuzunehmen, hab ich mich mit gesundheitsförderlicher Ernährung befasst und hab zeitweise völlig anders, als meine restliche Familie gegessen. Was mir aber bis heute geblieben ist die die Liebe zu Gerichten aus der Kindheit (gesund hin oder her), weil sie voller Liebe sind.“

Was sind die häufigsten Fragen, die dir Eltern in Bezug auf die Themen „Essen/ Ernährung/ Essverhalten“ stellen?

„Sie fragen mich, wie sie mit sehr wählerischem Essverhalten umgehen sollen, z.B. ‚ was mache ich, wenn mein Kind kein Gemüse, sondern nur Nudeln ohne Soße isst?‘. Sie haben Unsicherheiten bzgl. der Einführung von Brei oder breifreier Kost, wann sie damit starten sollen bzw. können und wie sie auf ihr Kleinkind eingehen können. Sie fragen mich, was sie tun können, wenn das Kleinkind Brei verweigert, aber eine andere Option schwer umzusetzen ist oder wenden sich an mich, wenn sie Ängste plagen (z.B. Angst vor dem Verschlucken).“

Emotionalität und kindliches Essverhalten sind miteinander verbunden

Ann-Cathrin, was verstehst du unter „emotionalem Essen“?

„Puh, ich habe gerade keine Lektüre mit Definition zur Hand . Also ohne Anspruch auf fachliche Richtigkeit.
Für mich entsteht emotionales Essen immer dann, wenn Gefühle im Körper sind, die mit dem Essen oder mit nicht Essen dumpfer gemacht werden sollen. Du möchtest dich also durch Essen oder nicht Essen besser, lebendiger fühlen. Wenn sich emotionales Essen festigt, beschreiben Menschen häufig, sie seien wie auf Autopilot, rationale Entscheidungen sind dann schwierig. Du isst und hörst ggf. auch erst auf, wenn eine Packung leer ist und stellst dann fest, dass es dir schlechter geht, als davor.
Babys kommen mit intuitivem Essverhalten auf die Welt. Isst ein Kind nach der Schule immer alleine kann es jedoch sein, dass es mehr isst als nötig, weil die Gemeinschaft, Kommunikation und Beziehung beim Essen fehlt. Älteren Menschen geht es häufig so, dass sie wenig essen, wenn sie sich alleine fühlen, weil sie keinen Appetit verspüren.
Wenn wir Emotionen oder Gedanken, die wir über das Essen haben, achtsam wahrnehmen und wissen, was uns in welcher Gefühls-Chaos-Situation gut tut, ist es uns wieder möglich intuitiv gesundheitsförderliche Lebensmittel und Mengen zu essen. Mengen, die uns wohlig satt machen und sich gut anfühlen. Wenn Kinder vor dem Essen in Bewegungen waren, sich also gut spüren können, ihre Energie ausleben konnten oder ausreichend umsorgt wurden, das Gefühl haben verstanden zu werden, am Esstisch spüren ‚ich bin ein Teil von wir‘, erzählen, zuhören und auch mal Quatsch machen dürfen, steht einer intuitiven Mahlzeit nichts mehr im Weg.“

Kann das soziale Umfeld das Essverhalten eines Kindes beeinflussen? Wenn ja, wie?

„Eine Mahlzeit hat immer 4 Bedeutungen. Wenn jede Bedeutung während einer Mahlzeit einmal ‚angetickert‘ wurde, ist ein Kind rundum satt. Also nicht nur körperlich, sondern auch emotional gesättigt. Ich muss sie hier kurz vorstellen, weil die Bedeutungen so essentiell sind.
Was wir alle wissen ist, dass eine Mahlzeit ein Sättigungsort ist, also den körperlichen Hunger stillen soll. Hier ist es eben wichtig, dass das Angebot altersentsprechend, gesundheitsförderlich und ausgewogen ist. Eine Mahlzeit ist immer ein Gemeinschaftsort, hat also eine soziale Bedeutung. Das Kind lernt Normen und Regeln, lernt ‚wie geht man miteinander um?‘. Eltern können in der Ess-Situation vorleben, was es heißt, wertschätzend und wohlwollend miteinander umzugehen. Es darf laut gelacht, diskutiert und geträumt werden. Eine Mahlzeit ist immer auch ein Lernort, hat also eine pädagogische Bedeutung. Esskultur wird vermittelt durch die eigene Vorbildrolle. Kindern soll die Möglichkeit gegeben werden, etwas über die Herkunft, den Wert und die Zubereitung von Lebensmitteln zu lernen. Außerdem machen Mahlzeiten den Tag für Kinder überschaubarer, also geben ihm Struktur und den Kindern somit Sicherheit. Dass eine Mahlzeit ein Beziehungs- und Kommunikationsort ist, also eine emotionale Bedeutung hat, ist wichtig zu verstehen. Ein Kind braucht nicht nur eine gute Beziehung zu den Lebensmitteln, sondern auch zu den Personen, die MITessen. Die Bedürfnisse des Kindes dürfen in der Ess-Situation gleichermaßen befriedigt werden, wie der körperliche Hunger. Strebt das Kind gerade nach Autonomie und Selbstständigkeit? Oder eher nach Sicherheit und Unterstützung? Wertschätzung und Zugehörigkeit dürfen bei keiner Mahlzeit fehlen.

Also zurück zu deiner Frage: Kann das soziale Umfeld das Essverhalten beeinflussen? Ja, sowas von! Denn selbst wenn das Kind in einer Phase steckt, in der viele (zuvor gemochten) Lebensmittel abgelehnt werden, können sich die Bezugspersonen auf das konzentrieren, was eine Mahlzeit eben noch ist. Und wenn das Kind dann 4 Wochen lang aus einer Auswahl an altersgerechten, bekannten Lebensmitteln immer nur die Nudeln ohne Soße oder das Brot wählt – so what. Solange das Angebot da ist, das Kind sich jederzeit selbst am Tisch nehmen kann und sich all den anderen Bedeutungen einer Mahlzeit gewidmet wird, ist alles gut.“

Foto: Satte Gespräche

Deine Meinung: sollten Kinder ihr Essen frei wählen können , auch wenn es eine Woche lang nur Toastbrot wäre? Sollten Eltern ihre Kinder nicht immer wieder motivieren, etwas anderes zu probieren?

„Vor der gut gemeinten Ermutigung am Esstisch kommen noch so so viele andere Schritte, die gerne mal übersprungen werden. Was Eltern davor tun können: multiple Kontakte (sehen – riechen – hören – anfassen – verstehen) ermöglichen. 10-15-maliger Kontakt ist häufig die entscheidende Voraussetzung für ein späteres (erneutes) Probieren und sogar mögen. Ich habe dazu ein PDF gemacht, eine Ideensammlung „Lebensmittel mit allen Sinnen entdecken“ (demnächst erhältlich).
Was essentiell ist: durch Komponenten-Essen den Kindern ermöglichen trotz der wenigen Lebensmittel-Vorlieben mitessen zu können. Sprich: viele Schüsseln aus denen sich das Kind selbst nehmen kann, was es mag. Kein Gemüse-Bolognese-Misch-Masch, wenn das Kind gerade wählerisch ist. Häufig können Kinder die Lebensmittel in den Gerichten nicht identifizieren und trauen sich daher nicht zu probieren. Sind schlicht nicht mutig genug. Vor allem am Abend. Anstrengender Tag und so. Safety first.
Vorbild sein macht auch echt was her. Viel mehr, als 3x zu fragen „Willst du wirklich nicht probieren?“. Eltern können laut aussprechen, wie gut das Lebensmittel schmeckt, nach was es schmeckt, wie es sich anfühlt im Mund, wie es sich beim Kauen anhört und dabei zeigen, dass man’s genießt. Die Schüssel steht ja am Tisch und Kinder wissen genau, dass sie probieren dürfen. Bitten und verbales Ermutigen tragen selten zu einem „Lieben lernen“ von Lebensmitteln bei Kindern bei.
Eltern entscheiden von Tag 1 welches Essen, wann angeboten wird. Das Kind entscheidet jedoch, ob und wie viel es isst.
Zusammenfassend: Bezugspersonen geben dem Kind die Zeit und die Möglichkeit Lebensmittel mit allen Sinnen kennen zu lernen und bieten es immer wieder an (stellen es auf den Tisch/kochen es gemeinsam mit dem Kind/bereiten es gemeinsam vor). Das Kind entscheidet, ob und wann es in den Mund genommen wird. Und wenn Wochen mit immer gleichen Lebensmitteln dabei sind, ist das völlig okay.“

Essstörung – reale Gefahr im Kleinkindalter?

Können schon Kleinkinder Essstörungen entwickeln?

„Ich würde sagen ja. Das auffällige Ess-Verhalten hat definitiv einen Sinn für das Kind, wenn es auch völlig unterbewusst entstanden ist. Manchmal treten auch körperliche Reaktionen, wie ständiges Würgen oder Übergeben auf. Wenn man als Bezugsperson oder Eltern das Gefühl hat, dass sich auffälliges Essverhalten festigt, also die „Schlinge“ sich immer enger zieht, es immer schwieriger ist für die Familie außer Haus oder gar entspannt zu essen, das Kind immer mehr zu- oder abnimmt, weder Bezugspersonen, noch das Kind mehr Freude am Essen haben, macht es total Sinn sich fachliche Beratung zu suchen.“

Was können Eltern tun, um ihrem Kind ein emotional stabiles Verhältnis zum Essen zu ermöglichen?

„Emotional stabiles Essverhalten entsteht durch Mahlzeiten, die mehr zu bieten haben, als körperlich satt zu machen. Das, was ich vorhin über die Bedeutungen einer Mahlzeit erklärt habe, können Eltern immer mal im Auge behalten und für sich überlegen, was gut im Alltag umgesetzt werden kann. Emotional stabiles Essverhalten entsteht außerdem durch ein gutes Körperbewusstsein – Ich kann mich spüren (Hunger, Sättigung), das durch Bewegung geschult werden kann; durch ein gutes Selbstbewusstsein – Ich weiß wer ich bin und was ich kann; und durch Selbstvertrauen – Ich glaube an mich und meine Fähigkeiten.“

Was wünscht du dir, in Bezug auf emotionales Essen, für die Zukunft?

„Kinder sollen ganz bald lernen: alle Körper sehen anders aus und nicht immer sind es die gleichen Gründe, die die Körperform eines Menschen beeinflussen. Köper sind alles schön. Es ist völlig wurscht, welche Körperformen andere Menschen als schön definieren. Wir dürfen alle verstehen: unser Körper ermöglicht uns unser Leben – er ist unsere wunderschöne Hülle. Unser Körper ist es wert, geehrt zu werden. Dazu gehört ein achtsamer Umgang mit dem, was wir als Erwachsene in ihn hinein stecken. Unser Körper ist zu schade, um als Mülleimer für unseren emotionalen Ballast (und den haben wir alle) zu dienen. Stellen wir uns die Fragen: ‚Wie können wir unseren Gefühlen mit mehr Achtsamkeit begegnen? Wie können wir uns selbst etwas Gutes tun, ohne dass Essen zur Kompensation werden muss?‘. „

Mit Ann-Cathrin satte Gespräche führen

Ann-Cathrin findest du auf Instagram unter @satte_gespraeche.
Zu erreichen ist sie außerdem immer per Mail unter ann-cathrin@sattgespraeche.de.
Beratungen und Kurse können auf www.sattegespraeche.de gebucht werden.

Ich freue mich, dass du hier bist!
Hat dir mein Beitrag gefallen? Dann lass gerne einen Kommentar hier und teile den Beitrag auf social media.
Möchtest du mehr zu mir und meiner Onlineberatung erfahren? Kontaktier mich gerne für ein unverbindliches und kostenloses Kennlerngespräch.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere Beiträge für dich

Lass uns entspannt austauschen!

Und so gehts:

  • schreibe dein Thema, das Alter deines Kindes und dein Veränderungswunsch in das Textfeld nebenan
  • schick unbedingt Kontaktdaten mit (Email Adresse oder Telefonnummer)
  • ich schaue, ob und wie wir zusammen kommen könnten, und
  • melde mich schließlich bei dir!
 

Du kannst mir alle Informationen auch direkt an
mail@juliane-quandt.de schicken!